Die Sonne geht gerade auf, als wir Roswell in Richtung Texas verlassen. Heute haben wir ein paar mehr Meilen vor uns, also heißt es Aufbruch.
Wir verlassen die Kleinstadt über den Highway 285, auf dem wir schon gestern, in entgegengesetzter Richtung, in die Stadt gekommen sind.
Sonntag früh, dementsprechend sind die Straßen leer, nur selten treffen wir auf andere Frühaufsteher.
Die Dörfer entlang der Strecke wirken wie leergefegt, viele der Geschäfte, Firmen und Lokale sind verlassen und das nicht nur fürs Wochenende.
Noch sind wir in New Mexico, aber die ersten Vorboten auf Texas sind schon am Straßenrand zu erkennen. Immer wieder kommen wir an Ölbohrtürmen, Pumpen oder Firmen vorbei, die sich auf den Support der Petrochemie spezialisiert haben. In manchen Orten stinkt es so penetrant nach Rohöl und Raffinierie, dass wir die Fenster lieber zu lassen.
In der Ferne ist ein großes fliegendes, nein, eher schwebendes Objekt am Himmel auszumachen. Eine ganze zeitlang beobachten wir es. Was kann das sein? Für ein Flugzeug zu langsam, für einen Helikopter zu groß, auch kein Vogel. Roswell, das wir vor kurzem erst verlassen haben noch im Hinterkopf, läßt uns die Sache keine Ruhe.
Bei der nächsten Möglichkeit und das kann auf solchen Highways schon einmal 50 Meilen dauern, stoppen wir. In der Einfahrt zu einer Rinderweide holen wir den Feldstecher heraus, um mehr zu sehen. Das ist ein Luftschiff oder ein Blimp (ein Prallluftschiff ohne starre Stützkonstruktion). Was macht das hier im Nirgendwo? Im absoluten Nichts? Sicher nicht als touristische Attraktion. Zur geologischen Auswertung des Bodens? Das texanische Öl ist ja nicht mehr weit. Länger anstarren wird auch keine Antwort bringen, also geht es weiter.
Über den Highway 180 gelangen wir zum Carlsbad Caverns Nationalpark, der unser heutiger Zwischenstop sein wird. Dabei handelt es sich um die größte Tropfsteinhöhle der USA.
Auch bei dieser Attraktion muss man sich vorab für einen Zeitslot anmelden, vorgewarnt durch den Arches NP haben wir uns vorab informiert und unser Zeitfenster reserviert.
Wahlweise zu Fuss über Stiegen oder mit dem Aufzug kann man die 250 Meter abwärts bewältigen, wir entscheiden uns für die schnellere Variante, denn auf Schusters Rappen dauert es sonst einen gute Stunde länger, die Höhle zu erforschen.
13°C und 90% Luftfeuchtigkeit erwarten den Besucher, aber auch eine gigantisch große Höhle. Ein einziger Raum, der durch Verschiebungen in der Erdkruste entstanden ist, breite sich vor uns aus. Der Weg ist rollstuhlgerecht hergerichtet und es ist ziemlich dunkel, woran man sich erst gewöhnen muss. Bald schon geht es trittsicher voran.
Die Bilder können leider die volle Pracht der Tropfsteine nicht wiedergeben.
Gestalten und Gesichter tauchen aus dem Dunkeln auf. Flüstern ist angesagt, denn normal laut Gesprochenes wird über 400 Meter weit hörbar, hier unten gibt es keine Geheimnisse, so erklärt uns ein Ranger am Eingang.
Apropos Ranger, natürlich sind hier unten auch Nationalpark-Ranger. Ob ihnen allerdings jemand glaubt, dass sie ihren Job als Ranger verrichten ist eine andere Sache. Bleiche Haut zählt sonst nicht zu den Erkennungszeichen in diesem Job, eher ein sonnengegerbtes Gesicht und stramme Wadeln vom Wandern.
Auf dezent beleuchteten Schautafeln wird genau erklärt, wie die unterschiedlichen Formen zustandekommen.
Immer wieder sind kleine Wasserbecken zu erkennen, in denen sich die Farben des Regenbogens wiederfinden, obwohl es in dieser Welt sonst stockdunkel ist. Berühren ist verboten, ebenso das Mitbringen von Essen und Getränken, die einzige Ausnahme, eines Wasser, keine Zusatzstoffe. Diese könnten das sensible Gleichgewicht stören.
Spezielle Formationen wie der Löwenschwanz, das Feenland oder hier das Puppentheater haben Namen bekommen.
Im Shop haben sie mein Lieblingsbuch für Kinder, das in etlichen Nationalparks angeboten wird. 😉
Zurück auf der Straße geht es über den Highway 180 weiter Richtung Texas. In Texas ist alles größer, also darf man auf der gleichen Straße auch gleich schneller fahren.
Wir zweigen auf den Highway 54 ab. Ja, so ein Tag, an dem wir Meilen fressen bietet wenig interessante Ausblicke. 😉
Außentemperatur 34°C, so trocken, dass es in der Nase wehtut und dann plötzlich solche Ankündigungen am Straßenrand.
Bei starken Regenfällen kann es hier zu Flashfloods kommen, Sturzfluten, da der Boden die Wassermengen gar nicht aufnehmen kann, die in einem Gewitter niedergehen.
Wenn man ein sturer Texaner ist und trotzdem weiterfahren will, auch wenn ein Fluss die Straße quert? Dann gibt es ein Straßenschild, das einem anzeigt, wie tief die Flut ist. Hat man jetzt noch die Waattiefe seines Fahrzeuges im Kopf (oder auf der Hecktüre aufgeklebt, wie im Jeep – 3 Fuß),dann kann man auch weiterfahren.
Apropos ‚Everything Bigger in Texas‘.
Eine gewisse Schilderwut kann man den texanischen Beamten nicht absprechen. Selbst ein Mistkübel am Straßenrand wird eine Meile davor mit einem Schild angekündigt und das Fass selbst noch einmal, damit man es auch erkennt.
Man muss ihnen aber auch zugute halten, dass es selbst auf einem so verlassenen Highway wie dem Hwy 54, es Rastplätze gibt. In anderen Staaten, vor allem im Süden, haben wir oft auf 200 Meilen nicht einmal eine Möglichkeit gefunden stehen zu bleiben, ein einfacher Schotterplatz für ein Auto, nein. Also nutzen wir den texanischen Luxus und machen Pause.
Highway 90, in the middle of nowhere.
Begleitet von einem einsamen Schienenstrang.
Plötzlich ist es wieder da, wie aus dem Nichts taucht am Himmel vor uns der Blimp auf, direkt vor uns im blauen Himmel (etwa in der Mitte dieses Suchbildes). Gut 150 Meilen nach der ersten Sichtung.
Noch einmal wollen wir stoppen um ihn genauer anzusehen, der muss doch eine Markierung oder Kennzeichnung haben, die auf seine Verwendung hinweist. Luftschifffan Arno läßt das keine Ruhe. Navigatorin Babsy greift in die Sitztasche hinter sich und holt den Nikon Zuwezara heraus. Noch während der Suche nach einer Möglichkeit stehen zu bleiben, gibt sie die neuesten Erkenntnisse bekannt. Weiß, ohne Markierung und es kreist, sprich dreht sich im Wind hin und her, keine Antriebsgondeln zu sehen.
Endlich ein Schotterstreifen! Arno springt aus dem Auto Fernglas in der Hand und siehe da, er ist tethered, also er hängt an einer Leine. An seinem Rumpf eine auffällige Beule, wohl für Sensoren. Der Blick schwenkt nach unten, während er die aufregenden Neuigkeiten an die Navigatorin weitergibt. Und was ist da am unteren Ende der Leine? Eine Andockstation um den Blimp (soviel ist jetzt schon klar, keine Stützstruktur) zu landen. Und die steht gut umzäunt auf einem Gelände ohne erkennbare Firmenaufschrift. Na was das wohl ist? Die mexikanische Grenze nicht mehr weit …
Beim Weiterfahren sind Unmengen Verbotsschilder zu erkennen, alles Erdenkliche wird angedroht, Paragraphen werden genannt, für Analphabeten machen Symbole klar, dass man hier nicht erwünscht ist. Und ganz klein steht dort etwas von einer Radareinrichtung, ganz kein.
Bald ist es wieder vorbei mit Hightech und die verlassenen Ortschaften tauchen am Highway auf.
Wir erreichen die Kleinststadt Alpine, Texas mit dem einzigen Supermarkt weit und breit, der mehr als nur ein Greißler ist.
Für die Leser, die mit dem Periodensystem vertraut sind ,ein kleines Schmankerl aus dem Weinregal. 😉
Literweise Wasser und zucker-, sowie hopfenhaltige Getränke finden im Jeep ihren Platz, gemeinsam mit Lebensmitteln für den täglichen Gebrauch.
Doch der Aufregung nicht genug geht es zur letzten Tankstelle auf vieeele Meilen und wir wechseln den Highway auf den noch unbedeutenderen 118er.
Neben der Straße tauchen immer wieder Dust Devils auf, kleine Wirbelstürme, die den Sand der Wüste aufsaugen und schon nach ein paar Minuten wieder in sich zusammenfallen. Bisweilen können sie auch größer werden und länger aktiv sein. Zu Beginn sind sie noch spannend und wir weisen uns gegenseitig darauf hin, aber bald sind sie alltäglich und werden ignoriert.
Bis zu dem Zeitpunkt, wo einer nahe an die Straße herankommt, plötzlich nicht mehr zu sehen ist, da er auf der Fahrbahn ist und keinen Staub mehr aufwirbelt und wir nur Meter davon entfernt sind. Als er auf der anderen Seite des Highways ankommt und gerade wieder beginnt Dreck aufzusaugen und sichtbar zu werden spüren wir einen Ruck, der durchs Auto geht. Der hat uns erwischt, vorne rechts. Nichts passiert.
Am Weg nach Terlingua Ghosttown, dem Ort an dem wir die nächsten Tage verbringen werden kommen wir an einem Kontrollposten der Bordercontrol vorbei. Die Grenzkontrollen hält hier Autos aus Süden kommend auf, um illegale Einwanderer zu suchen. Wir wollen nach Süden, also gibt es für uns freie Fahrt.
Nach langen Stunden erreichen wir unser Häuschen in der Wüste.
Gleich um die Ecke ist das Out House. Zum Telefonieren ist es aber nicht da …
Sägespäne und eine kleine Schaufel liegen bereit.
Die Küche ist einfach eingerichtet, das Abwasser aus den Waschbecken fließt direkt in ein Beet vor dem Fenster mit ein paar Palmen. Hier wird Wasser nicht verschwendet.
Das Dach aus alten Blechen zusammengeschustert.
Der Garten etwas trocken, dafür mit einer Wahnsinns-Aussicht.
Das Bett bietet ganznächtlich Frischluft.
Somit geht für uns ein langer Reisetag zu Ende und es geht bald ins Bett, denn morgen heißt es früh aufstehen und da wir eine Zeitzone nach Osten gereist sind, um eine Stunde früher. Gute Nacht.