USA South – Ein Roadtrip

Mit dem Airboat durch den Sumpf

Das Atchafalaya Basin ist ein riesiges Feuchtgebiet und erstreckt sich über 5.500 km² in Süd-Louisiana. Das einzigartige Ökosystem, bietet eine artenreiche Tierwelt, darunter Alligatoren, Wasservögel, Schildkröten und über 100 Fischarten. Die majestätischen Zypressenwälder und ausgedehnten Sümpfe machen das Basin zu einem Paradies für Naturliebhaber und Fotografen.

Wir wollen uns das heute und morgen in Henderson genauer ansehen. Für den ersten Trip haben wir ein Airboat gewählt.

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Es hat einen sehr flachen Aluminiumrumpf und kann damit bei 5 cm Wassertiefe schon fahren. Angetrieben wird es von einem 425 PS V8 Automotor, an den ein 2:1 Reduktionsgetriebe angeflanscht ist. Somit gibt es keinen Rückwärtsgang und ohne Luftstrom auch kein Steuern. Nicht einfach zu steuern, man muss immer vorausdenken. Kleine Bäume umzudrücken ist kein Problem. Einen Schalldämpfer gibt es nicht, dementsprechend fährt man mit Ohrenschutz. Der 3-blättrige Propeller ist aus Carbon.

Das alles ermöglicht es einem Airboat an Orte zu kommen, die einem normalen Boot mit Schraubenantrieb verwehrt bleiben. Aber es gibt wegen des hohen Geräuschpegels auch Bereiche in die sie nicht fahren dürfen, um die Fauna zu schützen. So tief in den Sumpf werden wir in unseren 90 Minuten aber sowieso nicht kommen, denn das Gebiet ist mit 230 x 50 km riesig.

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Unmittelbar nach dem Ablegen nähern wir uns einem Alligator, etwa 2,5 Meter lang. Bei dem Lärm, den wir produzieren, taucht er gleich ab.

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Zu Beginn dominiert die offene Wasserfläche, einzelne Zypressen stehen eher verloren im Süßwasser. Auf einigen haben große Greifvögel, wie Fischadler, ihre Horste angelegt.

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Wir reduzieren die Geschwindigkeit und gleiten in einen Bereich mit dichterem Bewuchs.

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Im Inneren des Wäldchens ist es still und kühl. Das Wasser ist etwa 1,5 Meter tief, in den letzten zwei Tagen ist es um fast 60 cm gefallen. Das Atchafalaya Basin wird als riesiges Entlastungsgebiet für den Mississippi genutzt. Je nach Wasserstand im Fluss, wird mehr oder weniger Wasser eingeleitet. In den nächsten zwei Wochen kommt das Frühlingshochwasser aus dem Norden, dann wird der Pegel auf bis zu 6 Meter steigen.

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Unser Captain und Guide Armond fährt seit mehr als 40 Jahren durch die Sümpfe und hat rund 30 davon gebraucht, um sie ganz zu erforschen und sich wirklich auszukennen. Als er zu sprechen beginnt, ist es wie in einer Kathedrale, die Stämme, die bis weit nach oben kein Laub tragen, reflektieren den Schall stark. Auch, weil es hier statt Unterholz nur eine Wasserfläche gibt.

Die Zypressen wurden zwischen 1880 und 1960 zum Großteil abgeholzt. Das Holz war perfekt für den Hausbau, es war gerade, hart und frei von bzw resistent gegen Schädlinge. Die tausendjährigen Riesen gibt es schon lange nicht mehr. Die Bäume die wir heute sehen sind etwa 80 bis 100 Jahre alt und bis zu 40 Meter hoch. Sie stehen mittlerweile unter Naturschutz, doch ihr Bestand erholt sich nicht, da junge Bäume mit den drastischen Änderungen des Wasserspiegels heutzutage nicht umgehen können.

Durch die Eingrenzung des Sumpfes durch Dämme und Sperren ist seine Fläche stark verkleinert worden, zusätzlich wird zum Schutz der großen Städte Wasser vom Mississippi eingeleitet. Vor 200 Jahren änderte sich der Wasserspiegel jahreszeitlich nur minimal, heute je nach Wetterlage um bis zu 8 Meter. Für mehrere Monate fallen Teile des Atchafalaya Beckens sogar trocken, da das Wasser für die Schifffahrt in den Mississippi zurückgeleitet wird.

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Wir verlassen den Schutz der Bäume und kommen zurück in den offenen Bereich. Die wichtigste Straße des Südens, die Interstate 10, quert das Atchafalaya Becken auf dem Weg von New Orleans nach Houston. Auf einer Strecke von etwa 30 km verläuft die Autobahn nun auf tausenden von Stelzen.

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Wir fahren zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen und können fast mit den Fahrzeugen oben mithalten, dann wenden wir unter der Brücke hindurch nach Steuerbord in einen weniger offenen Teil des Sumpfes.

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Auch wenn es wie eine Sackgasse aussieht, genau für so ein Gebiet ist das Airboat gemacht, über treibende Baumstämme, durch Büsche hindurch, alles kein Problem. Manchmal hört man die Stämme unten am Rumpf anschlagen, meistens gleitet man einfach darüber hinweg.

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Armond zeigt uns, wie die Crawfish, die wir gestern als Abendessen hatten, gefangen werden. Mit einer einfachen Tasche aus Gitter um etwa drei Dollar, die mit einem Stück Schnur an einem Baum festgemacht wird und im Wasser liegt. Ein Köder lockt die Krebse an. Durch die trichterförmigen Eingänge in der Tasche kommen sie nicht wieder hinaus. Der Preis, den ein Fischer für die Krebse bekommt liegt bei bis zu zwei Dollar pro Pfund. Im Moment werden $1,80 gezahlt. Der Markt ist derzeit übersättigt. In dieser Falle war nur ein einsamer Crawfish.

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Durch einen Teppich aus treibenden Pflanzen geht es zurück zum Ausgangspunkt.

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Morgen probieren wir die langsamere Variante aus, damit ist die Reichweite zwar nicht so groß, aber wir hoffen die Bewohner weniger zu verschrecken.

Mit dem Motorboot durch den Sumpf

Heute geht es zum Lake Martin, einem Sumpf in der Nähe. Am Weg dorthin queren wir mehrmals den Bayou Teche (sprich tay:ch aus dem Arcadian-Französisch für Schlange). Der Kanal ist über 200 km lang und verläuft von Nord nach Süd. Vor 2.000 bis 4.500 Jahren war das der Verlauf des Mississippi. Durch Verlandung und die Ablagerung von Schlamm bzw Sand wurde der Hauptstrom in sein nunmehriges Bett umgeleitet. Die Regierung gibt sich Mühe, dass es auch so bleibt, schließlich ist die Wirtschaft mehrerer Bundesstaaten davon abhängig. Der Mississippi zeigt jedoch schon Ansätze, sich wieder in Richtung des Atchafalaya Beckens zu orientieren.

Landwirtschaft ist hier ein großes Thema und so stehen immer wieder Erntemaschinen am Wegesrand.

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Die Straße ist eher eng und holprig, Traktoren mit überbreiten Geräten für die Feldarbeit sind nicht zu unterschätzende Hindernisse.

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Zwei dieser Boote werden heute auslaufen, Senior Jimmy und Junior Brandon werden uns den Sumpf und seine Bewohner zeigen.

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Das Wetter ist wie gestern perfekt, Sonnenschutz vorausgesetzt, es gilt eine UV-Warung der zweithöchsten Stufe. Also gut einschmieren und ein Longsleeve Shirt anziehen, vorzugsweise in weiß.

Langsamer und ruhiger geht es auf diese Tour, kein dröhnender Propeller hinter uns.

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Bald hat Babsy den ersten Alligator vor der Linse. Sie kommen ohne Zähne zur Welt, doch bald prangen oben und unten jeweils 40 Zähne. Die gehen im Laufe des Lebens oft verloren, wachsen aber schnell wieder nach. Auf insgesamt 2.000 bis 3.000 Stück kommt ein Alligator so.

Da sie Kaltblüter sind, brauchen sie die Sonne zum Aufwärmen und für eine schnellere Verdauung. Aus diesem Grund platzieren sie sich auch an solch exponierten Stellen.

Meist 25 bis 30 Jahre, aber auch bis zu 100 Jahre werden sie alt. Weibchen werden dabei bis zu 9 Fuß lang (etwa 3 Meter), Männchen erreichen bis zu 17 Fuß (knapp 6 Meter). In den ersten Jahren kann man das Alter sehr gut an der Größe ermessen: Ein Fuß Körperlänge entspricht einem Jahr. Sieht man nur den Kopf im Wasser, so ist ein Zoll (2,5 cm) zwischen Nasenlöchern und Augen gleichbedeutend mit einem Jahr Lebensalter.

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Es geht tiefer hinein in die Zypressenwälder. Bald trennen sich die Wege der beiden Boote, nur dreimal treffen wir uns an besonders sehenswerten Stellen.

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Dazu gehört beispielsweise Stellas Nest. Die neunjährige Alligatorendame hat hier seit Jahren ihren Eiablageplatz. Die Sonne brütet die Eier aus, die von der Mutter aggressiv bewacht werden. Noch ist das Nest leer, sie beginnt gerade das Loch für die Eiablage zu graben. Je nach Temperatur im Nest schlüpfen nur Weibchen, nur Männchen oder eine Mischung.

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Eher enge Passagen, durch die das Boot gerade so hindurch passt, wechseln sich mit …

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… weiteren Bereichen ab.

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Alte Hochstände für die Jagd sind hie und da noch zu finden.

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Ein Gutteil des Sees ist von Februar bis Ende Juli gesperrt, um den Vögeln eine ungestörte Brutzeit zu ermöglichen.

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Diese Echse zeigt, wie Alligatoren ihre Körpertemperatur regeln. Sie öffnen ihr Maul, ähnlich wie ein Hund hechelt, um sich abzukühlen. Eine weitere Möglichkeit ist es den Schwanz in das kühle Wasser zu stecken oder ganz unterzutauchen.

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Was wie kurz geschnittenes Gras aussieht, sind Millionen von kleinen, frei schwimmenden Blättern, die winzige Blüten bilden.

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Nach eineinhalb Stunden kehren wir wieder zum Ausgangspunkt zurück. Unser Versuch ein Luftbild zu machen wird leider von der Technik verhindert, dies ist eine Flugverbotszone (Vogelschutz) und somit weigert sich die Drohne zu starten. Cleveres Ding.

Für das Mittagessen haben wir uns ein kleines Lokal in der Nähe ausgesucht, Angel’s Burgers. Der Besitzer und Koch ist so chaotisch und unstrukturiert wie sein Lokal aussieht. 😉

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Getränke holt man an der Fountain (Quelle) und bezahlt nur einmalig, Nachfüllen kann man so oft man will, Standard in den USA.

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Einen Cheeseburger mit extra Speck und gebratenen Zwiebeln und Zwiebelringen für Babsy, einen Double Cheeseburger mit Pommes Frittes (Fries genannt, nicht Chips) für Arno. So chaotisch Angel ist, so gut sind seine Burger.

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Das Geschäft brummt, primär Einheimische. Da fallen wir natürlich gleich auf und kommen mit dem Chef ins Gespräch. Zum Abschied schenkt er Babsy eine Dose von seinem Cajun Spezialgewürz. Arno rollt mit den Augen, denn gefühlt ist das die 27ste Dose Gewürz, die wir nun im Auto haben (sicher übertrieben, wahrscheinlich sind es nur 24).

Am Rückweg zu unserem Häuschen machen wir einen kurzen Stop bei einem Baumarkt, die Dame des Hauses möchte sich einen Überblick über die angebotenen Rasenmäher machen. Und einmal schauen, was die da so haben …

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Wir kommen an einer kleinen Siedlung vorbei, wie aus einem Hollywoodfilm, alle Häuser schauen gleich aus.

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Gegenüber sieht es etwas anders aus. Hier stehen sogenannte Shotgun (Schrotflinte) Häuser. Wenn man vorne hineinschießt, geht der Schuss hinten hinaus, ohne etwas getroffen zu haben. Ein Raum nach dem anderen, jeweils die Türe in der Mitte der Wand. Sie stehen auf kurzen Stelzen und können mit einem Sattelschlepper abtransportiert werden. So mancher nimmt sein Haus bei der Übersiedlung einfach mit. Es gibt sie in jeder Qualitätsstufe, von ok bis zerfallen. Diese hier sind in einem Top-Zustand.

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Wieder im Schaukelstuhl auf der Terrasse kommt Eddy vorbei, er ist der amerikanische Cousin von unserem Eduard zu Hause. Gestern war er noch eher geschreckt und braun, heute schon mutig und grün. Er passt sich seiner Umgebung an.

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Morgen reisen wir zu unserer letzten Unterkunft am Rand von Houston. Dann heißt es den gesamten Inhalt eines riesigen SUVs in die Koffer zu quetschen – Tetris für Fortgeschrittene.

Auf nach Texas

Die letzte Etappe unserer Reise beginnt in New Iberia und wird uns heute bis nach Houston in Texas führen. Dahin, wo wir unsere Reise vor fast drei Wochen begonnen haben.

Auf kleinen Straßen geht es nahe der Küste Louisianas Richtung Westen. Vorbei an Farmen für Crawfish. Die Flusskrebse werden hier in großen, aber seichten Seen gezogen. Im Wasser sieht man die pyramidenförmigen Körbe, mit denen sie gefangen werden.

In every town there is a Wallmart’, dieser Werbespruch der größten Einzelhandelskette der Welt gilt seit Jahrzehnten. Wenn die Siedlung kleiner als eine Stadt ist, dann gibt es einen Dollar General, kleiner, aber mit einem durchaus ausreichenden Sortiment.

Was es hier, wo die Straße zu beiden Seiten von Sümpfen begleitet wird, im Überfluss gibt, sind kleine Käfer, bugs genannt. Sie haben gerade Paarungszeit und donnern in Massen gegen unsere Front. Schon nach ein paar Minuten ist die Scheibe voll von Treffern. Scheibenwischer haben keine Chance sie zu entfernen und alle Autos, die uns entegegenkommen sehen genauso aus. Es sind übrigens nicht viele, wir sind wieder auf den eher einsamen Straßen unterwegs.

Die Ansiedlungen sind klein, meist nur ein paar Häuser, oft von Stürmen gebeutelt oder zerstört.

Wildwechsel ist auf soe einsamen Straßen immer ein Thema, innerhalb einer Meile haben wir eine Schlange, einen Waschbären und einen keinen Alligator.

Wenn niemand unterwegs ist, gibt es auch keinen Bedarf an Rastplätzen oder ähnlichem, wo wir eine kurze Pause machen können. Wenn ein kleiner Schotterplatz zu finden ist, steht dort bereits ein rostiger Pick-up und jemand mit einer Angel sitzt am Kanal, der neben der Betonpiste fließt.

Doch nach längerem Suchen haben wir Glück und finden einen Platz um uns die Füsse zu vertreten und einen Blick von oben auf die Landschaft zu werfen.

Wie bereits erwähnt, direkt neben der Straße verläuft ein Kanal, nur wenige Meter breit.

Von oben kann man erkennen, dass es noch weitere Wasserwege gibt, mit einem kleinen Motorboot durchaus befahrbar. Schilf, Wasser und ein paar kleine Flecken trockener Boden, bis zum Horizont.

Genug geschaut, zurück auf die Starße und nach Westen.

Die Straße geht gerade weiter bis sie an der Fähre in Cameron endet, die alle 15 Minuten ablegt. Um den kleinen Fluss Calcasiu River von Ost nach West zu überqueren zahlt man einen Dollar, in die Gegenrichtung ist es kostenlos. Nicht zu teuer, wenn man sonst einen 107 Meilen Umweg nehmen muss.

Mit zwei anderen Autos und drei Motorrädern geht es in nur zwei Minuten auf die andere Seite.

Kurz nach der Querung bleiben wir am Strand stehen, zum einen, um uns von der Kolonne zu lösen 😉 und um die Scheibe zu reinigen. Hier ist der Salzgahalt im Wasser höher und die Käfer werden weniger.

Mit Scheibenreiniger und einem Schwamm legen wir los. Es ist mehr Aufwand als Arnos tägliches Morgenritual mit Scheibenreinigerr und Küchenrolle, um Babsy einen klaren Blick für das Schießen von Fotos zu gewährleisten.

Kleine Fischerboote ziehen ihre Netz unweit des Strandes entlang.

Babsy blickt aufs Meer hinaus und hofft Wale zu sehen. Letztlich entdecken wir auch einen, aber anders als gedacht.

Die Straße hat sich im Vergleich zu vor der Fähre dramatisch verändert, es gibt nun Strommasten.

Und wieder werden wir von einem Alligator auf der Fahrbahn gestoppt, diesmal ein größeres Exemplar.

Als wir uns langsam rollend nähern, beginnt er uns laut anzufauchen und dreht sich sofort um, als wir mit dem Auto hinter ihm sind. Sehr schlechte Laune.

Die Dichte an Raffinerien, Pumpstationen und anderen Anzeichen von Ölindustrie wird dichter, als wir die Brücke über den Sabine Lake überqueren.

Wir verabschieden uns von Louisiana und erreichen Texas.

Zwischen der Industrie in Louisiana und …

… der in Texas gibt es eine Park- und Campingplatz. Und ja, hier stehen zahlreiche Wohnmobile, warum auch immer.

Wir marschierren schon Richtung Auto zurück, als wir im Augenwinkel etwas im Wasser sehen. Eine große Schule Wale schwimmt vom Golf von Mexico kommend in den Sabine Lake, zeitweise springen sie sogar aus dem Wasser. Entweder sind es Kleine (auch Schwarze oder Falsche) Schwertwale oder Breitschnabeldelfine, auf die Entfernung könne wir das nicht feststellen. Den Feldstecher, bisher unbenutzt mitgeschleppt, haben wir gestern Abend schon tief in einer unserer Taschen verpackt – eh klar.

Für die Handykamera etwas zu weit weg, aber zumindest können wir sie minutenlang beobachten.

Wir erreichen unser letzten Häuschen, in Highlands, einem Vorort von Houston. Hier packen wir unsere Taschen und fliegen über Chicago nach Wien.